
Verbotsversuch gescheitert – Quds-Tag in Frankfurt 2025 mit weniger Anhängern als im Vorjahr
von Emil Mink
Beim diesjährigen Quds-Tag in Frankfurt haben die Akteure des Avci-Netzwerks wie in den letzten Jahren erneut auf eine Doppelstrategie gesetzt. Wohl weniger, um ansprechender für Personen außerhalb der schiitisch-islamistischen Bewegung zu sein, als vielmehr einem drohenden Verbot der Demonstration keinen Anlass zu geben.
Denn zu seinem zehnjährigen Bestehen wurde der Quds-Tag in Frankfurt wie noch nie seit seiner ersten Manifestation in der stadtpolitischen Öffentlichkeit diskutiert. Die Versammlungsbehörde der Stadt Frankfurt hatte im Vorhinein versucht, die Demonstration zu unterbinden. Dieses Verbot wurde jedoch am Freitag Nachmittag – einen Tag vor der Demonstration – durch das Verwaltungsgericht in Frankfurt wieder aufgehoben.
Insgesamt folgten mit etwa 500 Personen deutlich weniger dem Aufruf des Offenbacher Islamischen Zentrums Ehlibeyt, das die Demonstration zum Quds-Tag dieses Jahr unter dem Motto „Stoppt die Massaker an unschuldigen Menschen! Großdemo für Gaza, Libanon und Alawiten in Syrien“ angemeldet hat. Damit wurde auch Bezug genommen auf die Verfolgungen von Alawiten in Syrien durch die HTS und mit ihr verbündeten Milizen.
Anders als im Vorjahr wurden dieses Jahr neben den Flaggen Palästinas und der Islamischen Republik Iran erneut Flaggen weiterer islamischer Länder mit hohem schiitischen Bevölkerungsanteil mitgeführt, wie etwa die Fahnen Libanons, des Irak und des Jemen. Wohl auch, weil die Auseinandersetzung dortiger iranischer Proxys mit Israel offener geworden ist. Auf die syrische Flagge des Assad-Regimes wurde augenscheinlich verzichtet. Zudem wurde mit einem Frauen- und Kinderblock wieder relativ geschlechtergetrennt marschiert.

Neben dieser dezidiert islamischen Symbolik war man wie in den Vorjahren um ein friedenspolitisches Vokabular bemüht. Lediglich die ausgegebenen Parolen sollten gerufen und ausschließlich die oben erwähnten Flaggen getragen werden. Außer den bekannten Slogans der Einigkeit von Juden, Christen und Muslimen gegen Zionisten oder der Befreiung Palästinas vom Fluss bis zur See wurde auch auf die Militäroffensive Israels gegen die libanesische Hisbollah Bezug genommen. „Von Gaza bis nach Beirut – Euer Schweigen, das ist Blut“ sowie „Palästina, Libanon – Gerechtigkeit wird wieder kommen“ wurde von den Lautsprechern angestimmt. Auf einzelnen Plakaten wurde Israel der Zerstörung und des Blutvergießens in Palästina, Libanon, Syrien, Jemen und sogar im Iran bezichtigt. Die obligatorischen Bildnisse der obersten Führer der Islamischen Republik Khomeini und Khamenei sowie des verstorbenen Offenbacher Imams und Gründer des Netzwerks Muhammed Avci haben die Demonstration angeführt.

Auch waren bekannte Gesichter des Avci-Netzwerks dieses Jahr erneut vor Ort. Die Imame der Netzwerkgemeinden in Osterholz-Scharmbeck und Augsburg, Ibrahim Çakar und Halil Karamercan haben an der Demonstration teilgenommen. Der Sohn des Offenbacher Imams, Ismail Avci, reiste aus Den Haag an. In diesem Jahr jedoch ohne den örtlichen Geistlichen Seyyid Musevi. Abwesend war auch der in den vergangenen Jahren durch Reden und Parolen sehr präsente Yunus Çakar aus Osterholz-Scharmbeck bei Bremen sowie das Netzwerk um Yavuz Özoguz und den Delmenhorster Verein Islamischer Weg. In Bremen fand dieses Jahr zeitgleich zu Frankfurt eine kleine Kundgebung anlässlich des Quds-Tages statt, bei der Özoguz beklagte, dass der Quds-Tag in Deutschland verboten sei. Die Dezentralität der Kundgebungen und Aufmärsche zum Quds-Tag lassen sich möglicherweise auf das drohende Verbot seitens der Stadt Frankfurt zurückführen.
Auffällig war beim diesjährigen Aufmarsch die Beteiligung anderer regionaler schiitischer Akteure außerhalb des Avci-Netzwerks. So war eine Jugendgruppe der Wiesbadener IGS-Moschee Islamischer Kulturverein Imam Hussein anwesend. Darüber hinaus nahm der schiitische Influencer Hani Karimian an der Demonstration teil und kommentierte diese in einem Video. Karimian ist der Jugendorganisation des mittlerweile verbotenen Zentrum der Islamischen Kultur aus Frankfurt zuzurechnen. Ähnlich wie in den Protesten gegen das IZH-Verbot in Berlin, die Karimian mitorganisiert hat, wurde sich in dessen Video zum Frankfurter Aufmarsch als demokratisch inszeniert: „Denn Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bedeutet seine Stimme zu erheben, wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorfallen. Wenn gegen das Völkerrecht verstoßen wird. Das bedeutet verfassungsnah. Doch wir werden als verfassungsfeindlich und antisemitisch dargestellt.“, so Karimian, der mittlerweile zu einem wichtigen Gesicht der Szene aufgestiegen ist.
Obwohl viele ältere Akteure aus den vergangenen Jahren zugegen waren, wurden die Abschlussreden und die Koranrezitation in der Friedrich-Ebert-Anlage von jüngeren Personen übernommen. Abdürrahim Almaz, der alle Vorjahre das islamische Gebet vorgetragen hat, war zwar auf der Demonstration anwesend, aber übernahm keine derartigen Aufgaben. Ob hier versucht wird, eine jüngere Generation in die Organisationsstrukturen des Netzwerks und des Aufmarsches einzuarbeiten, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Von den Akteuren des Avci-Netzwerks wird versucht, sich auf möglichst legalem Boden zu bewegen. Die Verbote des Quds-Marschs in Berlin und sicherlich auch des Islamischen Zentrum Hamburg und ihrer Suborganisationen führten zu mehr Vorsicht, auch in den Reden und der Musikauswahl. Die Funktion des Szene- und Propagandaevents für die Islamische Republik erhält der Aufmarsch mitsamt der iranischen Flaggen und Bildern der islamischen Revolutionsführer jedoch auch ohne deutliches und damit strafbares Vokabular.
Abschließend muss noch kurz auf die Beteiligung autoritärer Linker am Frankfurter Quds-Marsch eingegangen werden. Nach dem 7. Oktober und dem Massaker der Hamas war eine solche Verbindung 2024 erstmals erkennbar. Dieses Jahr hatte die Organisation Free Palestine FFM, die eher der orthodox-marxistischen Palästina-Solidarität zuzurechnen ist, im Vorfeld zur Demonstration aufgerufen. Die Galionsfigur dieser Gruppe, die iranische Staatsbürgerin Aitak Barani, liebäugelte in der jüngeren Vergangenheit ganz offen mit der Islamischen Republik Iran und ihren Verbündeten. Barani, die zugleich Mitglied der Kommunistischen Organisation ist, gratulierte der Islamischen Republik 2024 zum Jahrestag der Revolution und wählte im selben Jahr den neuen iranischen Präsidenten im Frankfurter Konsulat. Am 1. April begann am Amtsgericht Frankfurt ein Prozess gegen Barani, weil sie wenige Tage nach dem 7. Oktober vor laufenden Kameras verlautbaren ließ: „Es gibt keinen Terror der Hamas! Bewaffneter Widerstand ist kein Terror!“.