Rede von Michael Spaney, Direktor des Mideast Freedom Forum Berlin bei der Solidaritätskundgebung mit #IranProtests am vergangenen Samstag, 1.10.2022 in Berlin:
"Ich bin Michael Spaney, Direktor des Mideast Freedom Forum Berlin. Wir setzen uns seit unserer Gründung im Jahr 2008 für die Unterstützung der Freiheitsbewegung im Iran ein.
Proteste gegen die Islamische Republik haben eine lange Geschichte. Sie begannen direkt nach der islamischen Revolution 1979 mit Massenprotesten gegen die neue Kleiderordnung.
Insbesondere seit dem Jahreswechsel 2017 kommt das Land kaum zur Ruhe, Massenproteste gibt es seitdem in immer kürzeren Abständen und im ganzen Land.
Jetzt, nach dem Mord an Jîna Mahsa Amini, gehen die mutigen Menschen und vor allem die Frauen bereits seit drei Wochen auf die Straße, in allen Provinzen.
Das braucht einen enormen Mut. Diese Menschen riskieren ihr Leben. Sie verdienen unsere Bewunderung und unsere Solidarität. Sie verdienen aber vor allem unsere tatkräftige Hilfe.
Die Lage ist sehr ernst. Das iranische Regime geht brutal und grausam gegen die Protestierenden vor. Von hundert Toten ist bereits die Rede. Tausende Menschen wurden verhaftet. Jeden Tag und jede Nacht werden mehr Menschen von den Schergen des Regimes abgeholt, ins Gefängnis gesteckt und häufig brutal gefoltert, sodass Todesfälle im Gefängnis keine Ausnahmen mehr sind.
Aber: Diese Proteste werden anhalten. Und sie haben sich verändert. Die Menschen im Iran lehnen sich über alle Gesellschaftsschichten hinweg in allen Provinzen gegen das Regime auf. Unter Einsatz ihres Lebens stellen sie sich mutig ihren Peinigern entgegen, und viele bezahlen mit ihrem Leben.
Auch Sportler bringen ihren Protest zum Ausdruck. Einer der bekanntesten von ihnen ist Ali Karimi, er spielte für die iranische Nationalmannschaft und für Bayern und Schalke. Weil er die Protestbewegung unterstützt, beschlagnahmten iranische Behörden sein Haus. Karimi ließ sich davon nicht einschüchtern und kommentierte auf Twitter: "Ein Haus ohne Land ist wertlos", untermalt von drei Herzen in den Nationalfarben Irans.
Die Spieler der iranischen Nationalmannschaft haben diese Woche in Wien ihren Protest zum Ausdruck gebracht, indem sie ihr Nationaltrikot mit schwarzen Jacken verdeckten. Damit setzen sie ihre Karriere aufs Spiel.
Der Mut und die Entschlossenheit der iranischen Bevölkerung lässt hoffen, dass dies der Beginn vom Ende des iranischen Regimes ist.
Doch noch funktioniert der brutale Repressionsapparat des Regimes. Das Regime setzt Waffen ein, lässt Häuser durchsuchen, um Oppositionelle zu finden, foltert Journalisten und Frauenrechtlerinnen. 2019 hat das Regime innerhalb von nur drei Tagen über 1.500 Menschen getötet, die für ihre Rechte demonstriert haben. Etwas ähnliches droht auch jetzt. Deshalb braucht die Protestbewegung Hilfe von außen.
Hier ist die Bundesregierung gefragt. Worte und symbolische Verurteilungen reichen nicht aus, jetzt muss gehandelt werden!
Wir fordern die Bundesregierung deshalb dazu, sofort harte und wirksame Sanktionen zu verhängen. Jede Abmachung, die dem Regime Einkommen ermöglicht, mit dem die Gewalt gegen das eigene Volk finanziert wird, muss aufgekündigt werden.
Wir appellieren an Frau Baerbock: Feministische Außenpolitik bedeutet, sich nicht nur mit Worten an die Seite der Frauen im Iran zu stellen, sondern auch politische Maßnahmen gegen das frauenverachtende Regime zu ergreifen, welches nicht reformierbar ist.
Wir fordern, dass die Außenposten des iranischen Regimes in Deutschland, zu denen auch das Islamische Zentrum Hamburg gehört, geschlossen werden.
Staatliche iranische Vertreter müssen ausgewiesen werden, denn sie sind eine Gefahr für iranische Oppositionelle hierzulande.
Wir fordern von der Bundesregierung: Weisen Sie den iranischen Botschafter aus Deutschland aus, wie es Albanien und die Ukraine bereits gemacht haben.
Wir fordern, dass die Bundesregierung auf Hinrichtungen und Folter von Oppositionellen mit unmittelbaren Sanktionen gegen alle Verantwortlichen reagiert, vor allem mit Einreiseverboten in die EU und nach Deutschland und durch das Einfrieren von Geldern.
Wir fordern, dass die Bundesregierung öffentlich erklärt: „Wir stehen an der Seite der Menschen im Iran und unterstützen ihren Wunsch nach einem Ende des Regimes, nach Demokratie, Freiheit sowie Rechtsstaatlichkeit und fordern die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen.“
Die Bundesregierung sollte systematisch Kontakte zu Oppositionellen und zu Vertreterinnen und Vertretern der iranischen Zivilgesellschaft und insbesondere der Frauenrechtsbewegung aufbauen und diese zu Gesprächen ins Kanzleramt und ins Auswärtige Amt einladen.
Dieses Regime hat keine Zukunft. Deshalb muss gelten: Keine Unterstützung mehr für das Regime, jede Unterstützung für die Protestierenden im Iran.
Wir werden Jîna Mahsa Amini niemals vergessen! Zan Zendegi Azadi - es lebe der freie und säkulare Iran!"