Kundgebung: "Freiheit statt Islamische Republik"
Rede von Fathiyeh Naghibzadeh (Mideast Freedom Forum Berlin) am 5.8.2009 in Berlin
Fathiyeh Naghibzadeh from STB on Vimeo.
Meine Damen und Herren,
Vor vier Monaten, am ersten April diesen Jahres, hatte ich bereits einmal die Ehre, auf einer von STOP THE BOMB organisierten Kundgebung zu sprechen. Ich sagte damals über den Charakter des iranischen Regimes: „Um den Zug der Expansion zu führen und immer weiter zu beschleunigen, dafür bedarf es Anführern aus dem Umfeld der Revolutionären Garden, die bereit sind, kompromisslos und ohne zu zögern zuzuschlagen. Die Elite dieses Regimes besteht nur noch aus den brutalsten Elementen der Mullahhierarchie einerseits, dem für den Terror nach innen und aussen zuständigen Apparat der Revolutionsgarden andererseits. Einen Platz für sogenannte Reformer gibt es nicht mehr.“
Ich habe immer wieder betont, dass die iranische Bevölkerung das erste Opfer dieses Regimes ist und dass sie das gesamte Regime und nicht nur eine politische Fraktion der Islamischen Republik ablehnt. In westlichen Medien wurde jedoch Mir Hosein Moussavi als neuer Hoffnungsträger präsentiert. Der Moussavi, der sich nie an die Spitze der Demonstationen gesetzt hat, sondern hinter ihnen hergelaufen ist und den das Regime opfern könnte, so wie es dies mit anderen treuen Anhängern in den aktuellen Schauprozessen tut.
Die Experten, die Lobbyisten und die Regierungschefs klammern sich verzweifelt an die Illusionen, die sie jahrzehntelang verbreitet haben. Die Demonstrationen der letzten zwei Monate im Iran haben deshalb nicht nur das Islamische Regime, sondern die gesamte Weltdiplomatie Schachmatt gesetzt. Innerhalb kürzester Zeit verloren die Menschen die Angst davor, ihre Meinung über das Regime klar und deutlich zu äußern. Die aktuellen Parolen lauten ''Tod Khamenei', 'Freiheit, Unabhängigkeit, IRANISCHE Republik' oder ''Nieder mit der ISLAMISCHEN Republik'. Auf die Kriegsparolen des Regimes 'Tod Amerika' und 'Tod Israel' beim Freitagsgebet antworteten die Menschen mit 'Nieder mit Russland', denn die russische Regierung war die erste, die Ahmadinejad nach den sogenannten Wahlen als Gast empfing.
Diese Parolen waren nicht nur eine Ohrfeige für die westliche Diplomatie, sondern auch und vor allem für die Iranlobbyisten und Berufsperser, die immer betont hatten, man dürfe sich nicht im Iran 'einmischen', da man dadurch die Bevölkerung erst recht an die Seite des Regimes bringe. Gern gesehene Fernsehgäste wie Bahman Nirumand von der Heinrich-Böll-Stiftung oder Mohssen Massarat von der 'Kampagne gegen Sanktionen und militärische Intervention im Iran' (CASMII) stehen ein für diese Lüge.
Man fragt sich, über welche Art von 'Einmischung' Herr Nirumand und Herr Massarrat eigentlich sprechen. Was ist damit gemeint? Die hervorragenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Islamischen Republik Iran? Die Überwachungstechnik, die Nokia und Siemens dem Regime lieferten? Oder die Fahrzeuge und Waffen europäischer Bauart, mit deren Hilfe die Machthaber die iranische Bevölkerung unterdrücken? Nein, dies ist nicht gemeint, wenn über die 'Einmischung in iranische Angelegenheiten' gesprochen wird. Denunziert wird stattdessen jede noch so zaghafte Kritik westlicher Staaten.
Die von den Lobbyisten propagierte 'Nichteinmischung' in die iranischen Verhältnisse ist in Wirklichkeit die größte Einmischung. Denn es geht nicht darum dass, sondern wie der Westen Einfluss auf die iranischen Verhältnisse nimmt. Bis jetzt hat er die Islamisten im Iran unter dem Motto der Nichteinmischung politisch und wirtschaftlich unterstützt.
Meine Damen und Herren,
Die Tragödie der Kollaboration mit dem Regime hat manchmal auch ihre komischen Seiten. So streiten sich momentan sogenannte iranische Oppositionelle mit ihren deutschen antiimperialistischen Freunden darüber, ob es sich bei den Demonstranten im Iran um lauter CIA-Agenten handelt oder nicht. Herr Massarat und Herr Pedram Shahyar von Attac versuchen der antizionistischen Zeitschrift „Junge Welt“ die Bewegung im Iran mit folgenden Worten schmackhaft zu machen: "Mir Hussein Mussawi, der Präsidentschaftskandidat der Reformbewegung, ist nicht, wie manche aus Unwissenheit oder in bewusst irreführender Absicht unterstellen, ein Mann des Westens. Er ist ein frommer Moslem und ein Mann der islamischen Revolution der ersten Stunde (...) ein Politiker auf der Seite des Volkes"
Massarat und Shahyar sind wütend darüber, dass ihre deutschen Freunde in all ihrem antiamerikanischen Eifer eine nicht zu bestreitende Wahrheit aussprechen: die Bewegung im Iran will keinen Reformislamismus, sie will das Ende der Islamischen Republik. Eine Perspektive, die die Experten und Lobbyisten arbeitslos machen würde.
Von anderem Kaliber sind die Verschwörungstheorien, die manche etablierten Politiker verbreiten. Laut Presseberichten behauptete Renate Künast, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, STOP THE BOMB sei einerseits vom Mossad, andererseits von den iranischen oppositionellen Volksmudjahedin gesteuert. Interessanterweise verbreitete auch die iranische Nachrichtenagentur IRNA am siebten Juli ähnliche Vorwürfe. Wer hat hier wen zitiert?
Die Lächerlichkeit der Behauptung, STOP THE BOMB arbeite gleichzeitig für den israelischen Geheimdienst und für eine muslimische Gruppe, die sich zwar für Zweistaatlichkeit, aber propalästinensisch äußert, brauche ich nicht zu kommentieren. Weniger lustig ist allerdings der strategische Hintergrund dieser Äußerungen. Der Mossad-Vorwurf spielt mit den deutschen antisemitischen Ressentiments.
Die Denunziation als Volksmudjahedin baut dagegen auf den Ergebnissen der europäischen Kollaboration mit dem iranischen Regime auf. Man hat diese Oppositionsgruppe vor sieben Jahren auf die europäische Terrorliste gesetzt, um ein Signal an ALLE iranischen Oppositionellen zu geben: wer radikal gegen das islamische Regime im Iran kämpft, ist ein Terrorist.
Der europäische Gerichtshof mußte die Europäische Union in mehreren Gerichtsurteilen zwingen, die Volksmudjahedin wieder von der Terrorliste zu nehmen, da die Vorwürfe der Europäischen Union gegen die Gruppe keiner Prüfung standhielten.
Wie Sie vielleicht wissen, haben vor einigen Tagen irakische Soldaten unter den Augen der US-Armee das Flüchtlingslager der Volksmudjahedin in Ashraf angegriffen, mindestens sieben unbewaffnete Einwohner getötet, hunderte verletzt und dutzende an unbekannte Orte verschleppt. Glücklicherweise haben viele iranische Oppositionelle trotz ideologischer Differenzen mit den Volksmudjahedin dieses Vorgehen verurteilt und verlangt, dass die USA ihren Verpflichtungen nachkommen und sofort den Schutz der iranischen Flüchtlinge übernehmen. Die Aktion der irakischen Armee folgt den Wünschen des iranischen Regimes und der persönlichen Forderung von Ali Khamenei. Dass so etwas möglich ist, obwohl das iranische Regime am Rande des Abgrunds steht, liegt auch an der westlichen Appeasementpolitik.
Vor diesem Hintergrund ist es keineswegs verwunderlich, wie die Firma Knauf Gips im Iran handelte: sie verbot ihren Mitarbeitern im Auftrag des iranischen Regimes einfach, auf Demonstrationen gegen die Regierung zu gehen. Wer dort erwischt werde, verliere seinen Job. Ich kann die Aufregung der Bundesregierung über diesen Vorgang nicht wirklich ernst nehmen. Das Handeln von Knauf atmet schließlich den Geist der Kollaboration, den die deutsche Politik jahrzehntelang betrieben hat. Knauf hat im Gegensatz zu anderen deutschen Firmen lediglich den Fehler gemacht, seine Geschäftspolitik öffentlich zu machen.
Bereits vor einem halben Jahr hat STOP THE BOMB die Geschäfte von Siemens im Iran inklusive der Lieferung von Überwachungstechnik in die Öffentlichkeit gebracht und skandalisiert. Seit zwei Monaten weiß die ganze Welt von diesen Geschäften und die Iraner haben diese mit einem Boykott beantwortet, der die Verkäufe von Nokia-Siemens im Iran um die Hälfte reduziert hat.
Meine Damen und Herren,
Die Atombombe und die Kriegsdrohungen gegen Israel sind zum einzigen Daseinszweck eines Regimes geworden, dessen innenpolitische Legitimationen längst zusammengebrochen sind. Den Bau der Atombombe mithilfe der Revolutionsgarden zu sichern, ist der zentrale Grund, weswegen das Regime die ganze Machtbalance zwischen sogenannten Reformern und Konservativen zerstört hat. Vom Besitz der Atombombe erhofft sich das Regime die Sicherung seiner Herrschaft, die jeglichen Schein demokratischer Legitimation abgelegt hat.
Bisher war das Maximum für viele Exiloppositionelle, über Menschenrechtsverletzungen im Iran zu sprechen. Aber in jedem diktatorischen Land werden die Menschenrechte verletzt. Die Spezifik des iranischen Regimes liegt jedoch darin, dass diese Diktatur sich über Jahrzehnte fast ausschließlich durch außenpolitische Expansion, Krieg und schließlich das Atomprogramm legitimiert hat. Der Kampf gegen Israel ist der ideologische Fluchtpunkt dieser Politik der permanenten Krise.
Während Ahmadinejad sagt "Das Atomprogramm ist das Recht der Iraner" lautet die Parole der Demonstrationen der iranischen Arbeiter "Brot, Bildung und Wohlstand ist unser Recht". Dieser Gegensatz macht den Zusammenhang zwischen dem Atomprogramm und der Unterdrückung der sozialen und politischen Rechte der iranischen Bevölkerung deutlich. Und die, die sich Vertreter der Arbeiterklasse nennen, sollten sich als erste dazu positionieren, anstatt zu schweigen.
Ob sie es will oder nicht, jede Exilopposition, die den Namen verdient, muss sich jetzt eindeutig gegen das Atomprogramm und gegen die Drohungen des Regimes gegen Israel positionieren. Sonst bleibt sie meilenweit hinter dem Niveau der Freiheitsbewegung im Iran zurück und fällt ihr sogar in den Rücken.
Meine Damen und Herren,
denen, die uns als Kriegstreiber bezeichnen, sei hier noch einmal gesagt: wenn die Unterstützung des Regimes aus dem Ausland nicht sofort unterbunden wird, wird es zum Krieg kommen, ob wir es wollen oder nicht. STOP THE BOMB ist immer für den Systemwechsel im Iran eingetreten. Die iranische Freiheitsbewegung hat diesen Systemwechsel in greifbare Nähe gerückt und die Welt vor die Entscheidung gestellt: die Bewegung für einen demokratischen Iran oder das Islamische Regime zu unterstützen. Eine dritte Option gibt es nicht.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!